Nach fünf Staffeln und achtzehn Episoden voller Tragik um Bajor, Kardassia und das Wurmloch in den Gamma-Quadranten der Milchstraße; voller Komik mit O’Brien und Bashir sowie Quark und Rom; nach dem Beginn des Dominionkrieges und der Rückeroberung von Deep Space Nine beginnt das dunkelste, das faszinierendste, das traurigste Kapitel von Star Trek überhaupt: „Im fahlen Mondlicht“.
„We just received a Priority One Communication from Starfleet Command: The Dominion has invaded Betazed.“
Nun bin ich kein Trekki im klassischen Sinne. Bis heute habe ich keine einzige Episode der originalen Serie aus den sechsziger Jahren um Captain Kirk und Commander Spok gesehen. Zwischen Abitur und Bundeswehr begann ich einst mit Voyager, war zwar begeistert, musste aber eingestehen, dass diese viel Unsinn und Klamauk enthielt. Wirklich in Erinnerung blieben einige Folgen, die sich mit ethischen Dilemma um den holografischen Doktor befassten um die Frage, ob dieser ein volles Individuum sei. Erst viele Jahre später begann ich durch Zufall (und wohl auch aus langer Weile) das heimliche Kronjuwel des Star Trek Universums: Deep Space Nine.
Während in den ersten Staffeln moralische Probleme verhandelt werden, liegen die Abgründe meist noch auf Gegenseite von Föderation und Sternenflotte: Bei den Bajoranern und ihrem Verlangen nach Rache, bei den Kardasianern für ihre expansive und xenophone Außenpolitik, bei den Ferengi und ihrem Wahn nach Profit, bei den Gestaltwandlern und ihrer Kriegstreiberei. Doch bereits zu Beginn deutete sich an, in welche Richtung diese Star Trek Serie einschlagen könnte. Kritik an der Menschheit – die sich beispielsweise unter Picard oder Kirk stets vorbildlich verhielt und Gene Roddenberrys Vision „to boldly go where no man has gone before“ verfolgte – wird schon – leise – sehr früh geäußert. So etwa, als die Serie das Problem um die Marquis beleuchtet: die zwangsweise Umsiedlung menschlicher Kolonien, welche in der Bildung einer terroristen Widerstandsbewegung resultiert. Beachtlich ist, dass in Folge dessen die Protagonisten der Sternenflotte in Situationen gebracht werden, in denen sie mit den (vermeintlichen?) Terroristen sympathisieren. Nie war Star Trek so ambivalent, so grau, so neblig. Immer wieder wird hinter die idyllische Fassade der Föderation geblickt, denn „It’s easy to be a saint in paradise“.
In Homefront / Paradise Lost schließlich schauen wir Teilen der Sternenflotte gar dabei zu, wie sie ihre Ideale komplett verrät, für die Sicherheit des Paradieses bereit ist eben diese paradisische Freiheit und den nach vorne, positiv gerichteten Lebensstil zu opfern. Ein Admiral versucht den Staatsstreich und will militärisch die Macht ergreifen um dem Dominion die Stirn zu bieten zu können. Ein Konflikt, der mich seltsamerweise an 9/11 und dessen Auswirkungen bis hin zu den Enthüllungen um Whistleblower Edward Snowden erinnerte.
So ist es nur allzu passend, dass – bevor Captain Sisko in Episode 19 der sechsten Staffel selber moralisch korrumpiert wird – er, eine Folge zuvor, auf die Frage des Doktors, ob die Föderation mit dem Geheimdienst Sektion 31 und deren unsanktioniertem Einsatz verbotener Methodik noch von ihren Feinden zu unterscheiden sei mit „I wish I had an answer for you“ antwortet.
Ich habe mich oft gefragt, wieso gerade in dieser Star Trek Serie die Kriegsszenarien – trotz, denn seien wir ehrlich, für die heutige Zeit schlechter Effekte und durchschnittlicher Inszenierung – solch emotionale Wucht entfalten. Es kann nur daran liegen, dass man nach sechs Staffeln so stark in die Charaktere investiert ist. Dass die fehlenden Effekte in Kombination mit diesem Investment die Fantasie stärker anregen als Science-Fiction Filme in der heutigen Zeit mit all ihren Explosionen und coolen Sprüchen. Man stellt sich wirklich vor, wie es wäre Teil dieser Welt – und somit Teil dieses Konflikts – zu sein und fiebert mit jedem der Protagonisten mit, sind sie doch so sehr ans Herz gewachsen.
Im Laufe dieser, von Fans und Kritik gefeierten, Episode nun schmieden Sisko und Garak einen Plan, wie sie die Romulaner, welche bisher einen Nichtangriffspakt mit dem Dominion unterhalten, dazu bringen auf Seiten der Föderation in den Krieg einzusteigen – mit weitreichenden Konsequenzen für den weiteren Handlungsverlauf. So bin ich glücklich und verwirrt zugleich, wenn Sisko gegen Ende verkündet:
„At 0800 hours, station time, the romulan empire formaly declared war against the dominion.“