Arcane

Das faszinierende an Arcane ist nicht etwa, dass es fantastisch aussieht; nicht, dass die Musik phänomenal ist; nicht, dass es in neun Episoden nicht einen anstrengenden bzw. nervigen Charakter gibt; nicht, dass es keinerlei Wissen über das zugrunde liegende Computerspiel-Universum von League of Legends braucht (obwohl Kenntnis über jenes einige kleine Extra-Freuden mit sich bringt) – nein, das wirklich faszinierende ist, dass eine Zeichentrickserie mit 16er-Freigabe jede vermeintliche Drama-Serie des Jahres 2021 mit Leichtigkeit in seine Schranken weisen kann. Und dies in deren Kerndisziplinen!

Arcane ist brutal hart, brutal ernst, brutal gut.

Dass eine solche Serie überhaupt möglich ist, ist besonders beeindruckend nach 10 Jahren seichter Kino-Unterhaltung durch das Marvel Cinematic Universe. Nicht, dass jeder Streifen dieser Generation schlecht gewesen wäre – doch waren die Filme (erst recht im Rückblick) erschreckend konsequenzlos. Umso beeindruckender, dass eine Produktion, die auf den ersten Blick auf dasselbe Publikum zu schielen scheint, einfach jede Disney-Leichtigkeit ablegt und aus allen Rohren feuert, um kompromisslos Unterhaltung für Erwachsene zu sein. Da fragt man sich schon etwas wehmütig, was das MCU hätte sein können, wenn es mit dieser Härte und Kraft aufgetreten wäre.

Die Serie ist unterteilt in drei Akte. Auf die Gefahr hin, das Wort faszinierend inflationär zu gebrauchen: auch auf diese Struktur trifft das Adjektiv zu. In Akt I lernen wir hauptsächlich die zwei Schwestern Vi und Powder kennen, welche mithilfe ihre Abenteuerlust und Kaltschnäuzigkeit in einen Klassenkonflikt zweier Stadtbezirke hineingeraten. In Akt II wird dieser Konflikt zwischen Ober- und Unterstadt durch weitere Charaktere ausgefüllt und findet in Akt III schließlich seinen Höhepunkt mit vielen aktiven Konfliktherden und politischen Intrigen.

Kurz gesagt: ein Muss.

Black Widow

Die Kinos sind wieder offen, Corona scheint besiegt und ich habe Black Widow gesehen (natürlich trotzdem im Stream (: ). Kurz zusammengefasst: Die ersten 15-20 Minuten sind Weltklasse, der Mittelteil immer noch gut und das Ende habe ich überspult, so angeödet war ich vom Marvel/Disney Action-Einheitsbrei. Zum Schluss noch Post-Credit-Scene – üblich im Marvel-Kino – welche anders als in bisherigen Streifen aber auch keinen finalen Punch ansetzen konnte. Am überzeugendsten sind, wie schon angeklungen, die ersten Minuten. Was auch daran liegt, dass diese vollumfänglich ohne Klamauk und CGI auskommen. Wir sehen die junge Nat, ein Kind russischer Agenten, undercover im amerikanischen Bundesstaat Ohio. Das Leben scheint unbekümmert, die amerikanische Sonne hüllt das Geschehen in verträumtes Orange. Schaukeln mit der kleinen Schwester, raufen, Abendessen mit der Familie. Ein Idyll, welches schnell verglüht, als die Familie unter Sirenen und Blaulicht fliehen muss und via Flugzeug nach Kuba entkommt. Was folgt sind vier Minuten Opening Credits die alles an Emotionalität übertreffen, was Marvel seit 2008 mit Iron Man auf die Leinwand gezaubert hat. Zu einem wunderbaren – zerbrechlich und vor Kraft strotzend zugleich – Cover von Nirvanas Smells Like Teen Spirit erleben wir das Erwachsenenwerden von Natasha Romanoff in verschiedenen Einblendungen um die Ausbildung im russischen Geheimdienst. Hätte Black Widow nur diese – wenn auch musikalisch manipulierte – Stärke ansatzweise beibehalten, so würde ich nun von einem herausragenden Film berichten. Leider geht’s danach zurück – wie schon so oft – zur Superhelden-Big-Mac-Soße.

Noch ein Satz zur Einordnung in das mittlerweile 24 Filme umspannende MCU: Dass der Film nach Endgame spielt ist natürlich unglücklich. Allerdings gab es auch in den 23 Filmen davor selten eine wirkliche Fallhöhe, als dass man jemals ernsthaft besorgt um das Ableben der Protagonisten wäre. Eine Schwäche, die auch Black Widow mit sich bringt. Schade.

Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga

Ich hätte es ja nicht gedacht aber Will Ferrell hat mit Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga tatsächlich nochmal einen tollen Film (wenn auch nicht in die Kinos dann doch) zu Netflix gebracht. Ich bin eigentlich überhaupt kein Fan der Musikveranstaltung – vielleicht grad deswegen hat der Film jedoch funktioniert. Er schafft es den Contest auf die Schippe zu nehmen und gleichzeitig zu verehren. Zwischendrin gibt es einige Songs, die besser als die meisten echten ESC-Songs sind, ein paar witzige Cameos und ein wirklich tolles Medley. Auch das Finallied ist überaus gelungen. Humor und Witz sind dabei teils intelligent bis spitz, meist jedoch eher herzlich, was ich sehr genossen habe. Rohrkrepierer gibt’s natürlich trotzdem, der Film ist weit davon entfernt perfekt zu sein. Kann man sich anschauen und entspannt Spaß haben.

On Body and Soul

Selten erlebt man einen Moment, indem man schon während er vorübergeht erkennt, dass eine Veränderung des Selbst von statten zu gehen scheint. Es bedarf der richtigen Zeit auf der Uhr: Der Nacht. Mitternacht. Des richtigen Orts: Zu Hause. Der richtigen Gesellschaft: Keiner, aber doch einen anregenden Abend hinter sich habend. Der richtigen Zeit im Leben: Vor einer persönlichen Weggabelung. Das richtige Getränk: Rotwein. Und einen kreativen Impuls sondergleichen: On Body and Soul – Körper und Seele.

Ein Hirsch mit mächtigem Geweih. Er beschnuppert die nahe stehende Hirschkuh, deren Hufe entlang zarter Beine den in weiß gehüllten Schneeboden berühren. Die feinen Haare ihres braunen Fells tanzen mit eisigen Schneeflocken sanft im leichten Wind. Die Augen der Tiere glänzen, reflektieren das mystische Licht des Waldes, voller Leben, hellwach. Schönheit, Grazie. Szenenwechsel: Größtmöglicher Kontrast. Das Bild zeigt den grauen Schlachthof, indem diese Geschichte größtenteils spielt und auf dem wir, die Zuschauer, dem maschinellen Ernten von Rindern beiwohnen. Wir sehen hier Tiere mit leeren Augen, mit Dreck verklebter, blutiger Haut. Schlachtvieh. Inmitten dieser Realität, die unsere moderne Gesellschaft großtechnisch mit Fleisch versorgt, lernen wir die – nicht nur – lichtscheue Qualitätskontrolleurin Maria und den Finanzdirektor Endre kennen. Maria ist neu auf dem Schlachthof, Endre schon lange dort. Beide verbindet eine seltsame Entrücktheit zu ihrem persönlichen Umfeld bis hin zu Einsamkeit, mit der sich die Protagonisten jedoch abgefunden zu haben scheinen. Wie die Tiere in der Eröffnungsszene werden sich Maria und Endre beäugen und beschnuppern. Der Kontakt birgt Tücken für beide, welche jedoch niemals in Situationskomik oder Kitsch übergehen, sondern stets dem Dramagenre treu bleiben. Während den echten sowie nachgestellten Szenen in der tristen Schlachthofskantine zum Mittagessen. Wenn Marias fast kindliche Art, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen, zum Vorschein kommt oder Endres verletzter Stolz, stellt sich eine seltsame Bedrücktheit ein.

Es fällt schwer dezidiert in Worte zu fassen, was genau den Film so magisch werden lässt. Die weibliche Hauptrolle ist grandios gespielt und weckt in ihrer Symbiose aus dysfunktionaler, sozialer Unsicherheit und emotionaler Kälte zunächst eigentlich wenig Sympathie. Selbiges müsste für den in die Jahre gekommenen Endre gelten, der zwar Bekanntschaften auf dem Schlachthof hat aber keine wirklichen Freunde besitzt und einsam vor sich hinlebt. Die Schauspieler verleihen den Protagonisten jedoch genug interessante Facetten, das Drehbuch liefert interessante Möglichkeiten des Aufeinandertreffens.

Die Szenen im Wald sind wunderschön inszeniert, erwecken ein Bedürfnis nach Ursprünglichkeit und Assoziationen von Unschuld und Unberührtheit. Ganz im Gegensatz zur tristen, kargen Schlachthofsrealität im ex-sowjet Flair. In seinem Minimalismus in Bezug auf Ausstattung, Sets und Musik, sowie der zurückgenommenen Darstellung der Schauspieler ist Körper und Seele schon ein gewisser Gegenentwurf zum derzeitigen Zeitgeistkino. Kamera und Inszenierung schaffen es jedoch mit simplen aber raffinierten Einstellungen Bedeutung und Emotion zu vermitteln. Dies kann ein rar gesätes Lächeln sein. Oder ein zärtlicher Sonnenstrahl in der schattigen Schlachthofseinfahrt. Und natürlich die differenzierten Reaktionen auf jene – eigentlich alltäglichen – Ereignisse. Dennoch fühlt sich der Film niemals zu deprimierend an. Hoffnung ist präsent. Der Ausweg klar erkennbar. Man muss ihn nur einschlagen.

Hirsch und Hirschkuh als Krafttiere, mächtig thronend als Herren des Waldes. Die Traumwelt in der Maria und Endre suchen und finden. Die Distanz der Realität überwinden, die Nähe des Traums herzustellen. Als dies schließlich, im letzten Drittel des Films, zu den melancholischen Klängen von Laura Marling, misslingt, ist es absolut herzzerreißend und nachdem die Musik aus Marias Stereoanlage abrupt verklingt ist klar: Wenn es für den Menschen auf dieser Welt Erfüllung geben kann, so liegt sie im anderen Menschen.

PS: Eine für meine Begriffe äußerst kontroverse, gar problematische Plot-Entscheidung ereilt den Zuschauer in der vorletzten Szene. Diese stieß mir so negativ auf, dass ich es, obwohl ich dem Film sonst volle Punktzahl geben würde, erwähnen möchte. Mir kommt es falsch und unrealistisch vor, dass Marie und Endre kurz nach dem Selbstmordversuch miteinander schlafen. Wäre die Darstellung nur einen Tick einladender und weniger Behutsam, hätte dies die sorgsam aufgebaute Magie der vorherigen zwei Stunden beinahe zerstört.

Emma.

Ein kleiner Text zu diesem wunderbar schrulligen aber auch sehr rührsamen Film. Emma ist eine junge Adlige im Großbritannien des frühen neunzehnten Jahrhunderts. Ihr liebster Zeitvertreib besteht darin, andere junge, adlige Mädchen bestmöglich (bezogen auf Familienstand und Vermögen) zu verkuppeln. Nur selber versucht sie Abstand zu halten von der Liebe. Was dabei alles schief gehen kann und dass sie ihre bisherigen Prinzipien teils über Bord zu werfen hat – davon handelt dieses Kleinod der Filmkunst.

Das dieser Film funktioniert liegt für mich – als Mann – ganz klar an Anna Taylor-Joy. Schon in Thoroughbreds (2017) konnte die Jungdarstellerin überzeugen. Nun legt sie nochmal deutlich zu. Es macht einfach Spaß in Emmas Gesicht zu blicken. Ihre Augenbewegung zu verfolgen. Sich an ihrem meist zugespitzten Mund zu ergötzen. Hier trifft eine moderne, feministische Schönheit auf tolles Schauspiel, sodass der eigentlich eher für Frauen gedachte Stoff (?) sofort gefiel. Trotz der historischen Zeitperiode, in der die Handlung spielt, ist die Geschichte sehr frisch inszeniert. Die junge Adelstochter ist fast immer Herrin der Lage, weiß um ihren Einfluss und Wirkung. Sie steht somit im Kontrast zu bspw. Lizzie in Stolz und Vorurteil (2005), die durchaus zerbrechlich gen Kamera schmachtete. Nein, hier befinden wir uns eindeutig im Jahr 2020 mit starken, miteinander konkurrierenden Frauen- und meist eher drolligen, aber doch liebenswürdigen Männerfiguren. Einzig Emmas direkter Gegenspieler George Knightley – ein langjähriger Freund der Familie – kommt ohne sonderliche Charakterzüge daher (wenn man davon absieht, dass er als adliger Bachelor im besten Alter immer noch ohne Ehefrau ist und sein Junggesellenleben genießt). Erwähnenswert ist des Weiteren Emmas schrulliger, in die Jahre gekommener Vater, stets auf der Flucht vor Windzügen, die durch sein herrschaftliches Haus fegen. Er funktioniert als auflockerndes Element, des zeitweise ins Drama gleitenden Films, prima. Obligatorisch sei hinzugefügt, dass die kräftigen Bilder voller bunter Farben; Kostüme und Ausstattungen sowie die Inneneinrichtungen äußerst gelungen sind.

Übrigens: Erst als ich die Wikipedia aufrief, las ich, dass dieser Film – ebenso wie der schon erwähnte Stolz und Vorurteil (2005) – eine Jane Austen Adaption ist. Fast schon peinlich, gefallen hat’s mir trotzdem.

Mr. Robot – „405 Method Not Allowed“

Morgengrauen. Eine in blau gefärbte Schneelandschaft. Ein brennender Van. Darlene im Auto, einem Trackingsignal auf dem Smartphone folgend. Bedrohliche Streichermusik. Nebel. Sie hält an der Tankstelle, schaut sich um. Die Klänge gewinnen an Kraft, Orgelpfeifen ertönen und stimmen den berühmten vierten Satz Beethovens neunter Sinfonie an. Sie steigt wieder ins Auto, die nahende Sonne noch hinterm Horizont versteckt. Sie erreicht den in schillernde Flammen getauchten Kleintransporter, passiert vorsichtig. Eine Bildkomposition arrangiert in weißgelb und königsblau. Das Feuer gespiegelt im Fahrerfenster. Darlenes besorgter Blick. Es klopft an der Beifahrerseite: Elliot. Er steigt ein, sie beschleunigt. Die Reflexion verschwindet im Fenster der Rückbank. Kurz bevor der ikonographische Mr. Robot Schriftzug eingeblendet wird und An die Freude erklingt hören wir Darlene noch an ihren Bruder gewandt sagen:

It’s cool dude, we don’t have to talk

Mr. Robot ist eine US-amerikanische Serie über den jungen Hacker Elliot, welcher am 9. Mai 2015 durch eine großangelegte Aktion das globale Finanzsystem ins Wanken brachte und sich und seine Schwester Darlene in Folge dessen aus einem Strudel aus Verfolgung durch das FBI, der einflussreichen chinesischen Hackergruppe Dark Army, Drogendealern und des mächtigen E-Corp Konzerns zu befreien versucht. Aktuell läuft die vierte und letzte Staffel dieser von Kritikern gelobten und mit Preisen bestückten Serie.

Ausgangspunkt für Staffel 4 ist die Entschlüsselung des sogenannten 5/9 Hacks und damit einher gegangener Wiederherstellung der alten Finanzordnung. Elliot ist einerseits unglücklich, ist seine Revolution doch gescheitert und fast alles Erreichte rückgängig gemacht. Doch wie sein imaginärer Gegenpart Mr. Robot erkennt: Die mächtige Dark Army, angeführt von Whiterose, hat sich in Folge der Hacks zu erkennen geben müssen und ist nun das Primärziel, welches es zu Fall zu bringen gilt.

In Episode 5 versuchen Darlene und Elliot des Geldes der Dark Army habhaft zu werden um ihr so einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Im bisherigen Staffelverlauf gelang es ihnen sich Lesezugriff auf die Konten der Cyprus National Bank, welche das Vermögen von Dark Army und deren Financiers – der Deus Group – verwaltet, zu verschaffen. Um nun das Geld auch transferieren zu können ist ein letzter Schritt notwendig: Es muss ein Konto mit systemadministrativer Potenz angelegt werden. Dazu wiederum benötigen die Geschwister physische Handhabe auf die Server von Virtual Realty, eines Konzerns, welcher der Bank vorgeschaltet ist. Um dies zu bewerkstelligen ist, wie schon in vorherigen Hacks, neben technischem Know-How und viel krimineller Energie, klassicher Arbeit mit dem Dietrich auch Schauspiel und ein gezieltes Ablenkungsmanöver von Nöten. Die detaillierte Darstellung dieser Prozesse ist dabei immer wieder eine große Freude. So ist jeder Texteintrag in der Kommandozeile im Computer inhaltlich sinnvoll angelegt und nicht nur visuelles Beiwerk. Außerdem ist beispielsweise das verwendete Betriebssystem Kali Linux berüchtigt für Penetrationstests und digitale Forensik. Erneut zeigt uns die Serie aber auch, dass jedes Sicherheitssystem, welches eine menschliche Komponente enthält eben über diese verwundbar wird – eine Tatsache, welche seit Beginn der Serie süffisant aufgearbeitet wird. So überlisten Elliot und Darlene einen Sicherheitsmann, erstellen eine Kopie seines Fingerabdrucks via 3D-Drucker und schalten die Kameras aus, indem sie ein Firmware-Update der zugehörigen Software starten. Trotz Fokus auf möglichst viel Realismus ist die visuelle Umsetzung des stets gelungen, teils enigmatisch; musikalisch großartig untermalt und meisterhaft geschnitten.

Kurz vor Abschluss des Virtual Realty Hacks fliegen die beiden jedoch auf und müssen das Gebäude fluchtartig verlassen. Sie teilen sich auf: Elliot wählt die Flucht zu Fuß und zieht die volle Aufmerksamkeit der anrückenden Polizeikräfte auf sich um seiner Schwester das Verlassen des Gebäudes in neuer Verkleidung zu ermöglichen. Was folgt ist eine rasante Verfolgungsjagd durch die Hochhausschluchten von Manhattan. Zu sehen sind famose Bilder, die zwischen weitwinkligen Panoramen und panischen Nahaufnahmen wechseln und ernsthafte Angst um das Überleben Elliots aufkommen lassen.

Während all dies geschieht hat Dominique, eine gegen ihren Willen für die Dark Army operierende FBI-Agentin alle Hände voll zu tun. Der brennenden Van vom Intro muss von Spuren befreit werden, welche eine Verbindung zu Elliot oder gar Whiterose ermöglichen könnten. Sie unterbricht dafür ihren Weihnachtsurlaub und ermöglicht gekonnt Fernzugriff auf die örtlichen Polizeicomputer. Ihre emotionale Zerrissenheit, genährt durch den Verrat an ihrem Arbeitgeber und letztlich auch ihres Landes, ist dabei stets greifbar. Nachdem Elliot und Darlene die Flucht gelingt erhält Dom schließlich den Auftrag, sich um das Problem, welches die beiden für Dark Army und Deus Group darstellen, zu kümmern und wird so als direkter Gegenspieler in Stellung gebracht.

Die Folge entlässt den Zuschauer schließlich mit einem Blick auf Christa, Elliots ehemaliger Psychotherapeutin. Sie hat ein Weihnachtsverabredung doch wird von Drogendealer Vera, mit dem Elliot in der ersten Staffel aneinander geraten war zunächst beschattet und schließlich vor ihrer Haustür abgefangen. In der letzten Szene spricht er Christa lakonisch an:

It’s time we talk

Erst jetzt fällt auf: In den ganzen vergangenen fünfundvierzig Minuten, seitdem Darlene Elliot im Auto wortkarg begrüßte erklang nicht ein einziges gesprochenes Wort. Wenn nicht direkt visuell durch Blicke, Gesten oder geschickte Schnitttechnik wurden Informationen zwischen handelnden Personen nur über Kurznachrichten ausgetauscht. Und außerdem: Kein Zeichen von Mr. Robot?! Haben wir vielleicht die ganze Folge über dem Dritten zugeschaut? Auf eine Auflösung des am Ende von Episode 2 aufgemachten Mysterium warten wir schließlich immer noch. Eight Episodes to go. Ich freu mich drauf!

Train to Busan

Train to Busan erzählt Geschichten von Vater und Tochter, der Transformation von Beziehungen während Extremsituationen, von Verantwortung und schließlich von der Erkenntnis über den Wert des Menschseins.

Südkorea, 2016. Wir sehen einen Viehtransport haltend an einer Quarantänestation. Der Fahrer fragt ob es einen erneuten Ausbruch der Maul- und Klauenseuche gegeben hätte. Die Sicherheitsmänner wiegeln ab. Der Zuschauer ahnt (sollte er denn, wie ich, ohne Vorwissen in den Film gehen), dass Schlimmes bevorstehen könnte. Minuten später fährt der Fahrer ein Reh an, es scheint tot, liegt regungslos auf dem grauen Asphalt. Doch während der Viehtransport am Horizont verblasst dreht die Kamera langsam seitlich zurück. Das Tier beginnt krampfhaft zu zucken, steht schließlich auf. Es schaut sich um, milchweiße Augen deutlich erkennbar. Blende zu Schwarz. Es riecht nach Zombiefilm.

Nun gab es seit Beginn des Jahrtausends einige anspruchsvolle Vertreter dieses Genres, die weit über Splatter, Action und Horror hinaus Ambitionen anmeldeten und das Endzeitszenario als Grundbaustein benutzten wollten um in die menschliche Psyche bzw. deren Abgründe einzudringen. Dies gelang mal lauter und brachial mit 28 days later (2002, Danny Boyle) als klassicher Zombiefilm, der sich und seine handelnden Personen todernst nimmt und ein grausiges Bild der Gattung Mensch abbildet. Wunderbar untermalt vom ikonischen Hauptthema „In The House, In A Heartbeat“, welches dem Zuschauer die Nackenhaare aufstellte und sich tief in die Erinnerung einbrannte. Es gelang mal leiser und nachdenklich in The Road (2009, John Hillcoat) in dem der Zuschauer untermalt von wunderbar melancholischen Piano- und Streicherklängen einem verzweifeltem Viggo Mortinson folgt, der mit seinem Sohn durch ein zerstörtes Amerika pilgert. Und schließlich gelang es jüngst sogar äußerst kreativ und intelligent in The Girl with All the Gifts (2016, Colm McCarthy), welcher mit famosem Schauspiel, damit einhergehender emotionaler Bindung zur Hauptprotagonistin, einer schlüssigen biologischen Erklärung und Infizierten der zweiten Generation eine dezidiert neue Facette beisteuern konnte.

Train to Busan steht im Schatten der Stärken dieser Filme, hat jedoch mit Südkorea ein unverbrauchtes kulturelles und visuelles Setting. Der Film folgt einigen klassischen Handlungstropen (Vater, der seine Tochter vernachlässigte aber in Zeiten großer Not zum Helden avanciert; egoistischer Firmenchef, der auf andere Menschen herabblickt und bereit ist ihr Leid zu ignorieren; rauer Haudegen, der Sprüche klopft jedoch bereit ist sich für die Gruppe zu opfern). Er liefert mit dem Zug als Haupthandlungsort, wie schon im ebenfalls koreanischen Snowpiercer, interessante Perspektiven und vermag trotzdem über die räumliche Verteilung der Protagonisten immer wieder zu verwirren. Außerdem schafft der Zug als linearer Weg von der Spitze bis zum Ende ganz natürlich Hindernisse, die es zu überkommen gilt. Die erst angeknackste Beziehung zwischen Vater und Tochter intensiviert sich im Laufe der Krise, beide können und müssen voneinander lernen. In der zweiten Hälfte erreicht der Film schließlich – dem Genre entsprechend – einen äußerst hohen Grad an Spannung und Emotionalität, wenn der Zug beispielsweise in eine bereits von Zombies überrannte Stadt einfährt oder sich vermeintlich sichere Militärposten aus Todesfallen entpuppen. Dies steigert sich in den letzten zehn bis fünfzehn Minuten nochmals – nachdem der Zug in Busan zum halten gekommen ist – sodass sich mir bei Einblendung des Abspanns ein äußerst zufriedener Gesamteindruck einstellte.

Der Nachtmahr

Stroboskop; rot, neon-grünes Licht; extrem dumpfe und doch wuchtige Technoklänge. Psychose? Nahtoderfahrung? Fantasy?

Wie auch immer …

Alles beginnt mit Musik so dröhnend wie Turbinen, im Moment, wenn Flugzeugräder die Landebahn verlassen. Wir treffen Tina und zwei ihrer Freundinnen; heben mit ihren ab: Junge Frauen, die kurz vor dem Abitur stehen, im Auto auf dem Weg zu einer Party, Berliner Villenviertel. Auf dem Smartphone ein Foto aus dem Bio-Unterricht: abgetriebener Fötus. Via App lassen die Mädchen Fotos von sich zu dieser kaum noch als menschlich erkennbaren Erscheinung transformieren. Ekel und Faszination. Ein Schatten des Kommenden?

Stunden später ist Tina erschöpft zu Hause und kann nicht einschlafen. Plötzlich hört sie Geräusche im Haus, geht denen auf den Grund und trifft so zum ersten Mal den titelgebenden fantastischen Protagonisten des Films. Erschrocken weckt sie ihre Eltern – doch das Wesen ist verschwunden. Oder können sie es einfach nicht sehen? Um diese Frage kreist der weitere Handlungsverlauf und so wird auch der Betrachter stets in seiner Meinungsbildung herausgefordert.

Das Schauspiel ist hierbei insgesamt solide, Carolyn Genzkow als Hauptdarstellerin überzeugt jedoch – auf ganzer Linie – mit ihren verlorenen Blicken in die Neonleere. Licht und Musik saugen den Zuschauer in das Geschehen hinein, bewirken Herzrasen, hohen Puls, Schweiß. Nur unterbrochen von der aufkommenden Verzweiflung Tinas, die selbst beginnt ihre mentale Kondition in Frage zu stellen.

Empfohlen sei noch – dem Aufruf des Regisseurs folgend – den Film in voller Lautstärke auf möglichst großem Schirm zu sehen. Wer dies – auf Grund der Tatsache, selbst nicht im Villenviertel zu wohnen – nicht kann, sollte wohl zum Kopfhörer greifen. Erst dann entfaltet sich die volle Energie dieses faszinierenden Films aus Deutschland.

In the Pale Moonlight

Nach fünf Staffeln und achtzehn Episoden voller Tragik um Bajor, Kardassia und das Wurmloch in den Gamma-Quadranten der Milchstraße; voller Komik mit O’Brien und Bashir sowie Quark und Rom; nach dem Beginn des Dominionkrieges und der Rückeroberung von Deep Space Nine beginnt das dunkelste, das faszinierendste, das traurigste Kapitel von Star Trek überhaupt: „Im fahlen Mondlicht“.

„We just received a Priority One Communication from Starfleet Command: The Dominion has invaded Betazed.“

Nun bin ich kein Trekki im klassischen Sinne. Bis heute habe ich keine einzige Episode der originalen Serie aus den sechsziger Jahren um Captain Kirk und Commander Spok gesehen. Zwischen Abitur und Bundeswehr begann ich einst mit Voyager, war zwar begeistert, musste aber eingestehen, dass diese viel Unsinn und Klamauk enthielt. Wirklich in Erinnerung blieben einige Folgen, die sich mit ethischen Dilemma um den holografischen Doktor befassten um die Frage, ob dieser ein volles Individuum sei. Erst viele Jahre später begann ich durch Zufall (und wohl auch aus langer Weile) das heimliche Kronjuwel des Star Trek Universums: Deep Space Nine.

Während in den ersten Staffeln moralische Probleme verhandelt werden, liegen die Abgründe meist noch auf Gegenseite von Föderation und Sternenflotte: Bei den Bajoranern und ihrem Verlangen nach Rache, bei den Kardasianern für ihre expansive und xenophone Außenpolitik, bei den Ferengi und ihrem Wahn nach Profit, bei den Gestaltwandlern und ihrer Kriegstreiberei. Doch bereits zu Beginn deutete sich an, in welche Richtung diese Star Trek Serie einschlagen könnte. Kritik an der Menschheit – die sich beispielsweise unter Picard oder Kirk stets vorbildlich verhielt und Gene Roddenberrys Vision „to boldly go where no man has gone before“ verfolgte – wird schon – leise – sehr früh geäußert. So etwa, als die Serie das Problem um die Marquis beleuchtet: die zwangsweise Umsiedlung menschlicher Kolonien, welche in der Bildung einer terroristen Widerstandsbewegung resultiert. Beachtlich ist, dass in Folge dessen die Protagonisten der Sternenflotte in Situationen gebracht werden, in denen sie mit den (vermeintlichen?) Terroristen sympathisieren. Nie war Star Trek so ambivalent, so grau, so neblig. Immer wieder wird hinter die idyllische Fassade der Föderation geblickt, denn „It’s easy to be a saint in paradise“.

In Homefront / Paradise Lost schließlich schauen wir Teilen der Sternenflotte gar dabei zu, wie sie ihre Ideale komplett verrät, für die Sicherheit des Paradieses bereit ist eben diese paradisische Freiheit und den nach vorne, positiv gerichteten Lebensstil zu opfern. Ein Admiral versucht den Staatsstreich und will militärisch die Macht ergreifen um dem Dominion die Stirn zu bieten zu können. Ein Konflikt, der mich seltsamerweise an 9/11 und dessen Auswirkungen bis hin zu den Enthüllungen um Whistleblower Edward Snowden erinnerte.

So ist es nur allzu passend, dass – bevor Captain Sisko in Episode 19 der sechsten Staffel selber moralisch korrumpiert wird – er, eine Folge zuvor, auf die Frage des Doktors, ob die Föderation mit dem Geheimdienst Sektion 31 und deren unsanktioniertem Einsatz verbotener Methodik noch von ihren Feinden zu unterscheiden sei mit „I wish I had an answer for you“ antwortet.

Ich habe mich oft gefragt, wieso gerade in dieser Star Trek Serie die Kriegsszenarien – trotz, denn seien wir ehrlich, für die heutige Zeit schlechter Effekte und durchschnittlicher Inszenierung – solch emotionale Wucht entfalten. Es kann nur daran liegen, dass man nach sechs Staffeln so stark in die Charaktere investiert ist. Dass die fehlenden Effekte in Kombination mit diesem Investment die Fantasie stärker anregen als Science-Fiction Filme in der heutigen Zeit mit all ihren Explosionen und coolen Sprüchen. Man stellt sich wirklich vor, wie es wäre Teil dieser Welt – und somit Teil dieses Konflikts – zu sein und fiebert mit jedem der Protagonisten mit, sind sie doch so sehr ans Herz gewachsen. 

Im Laufe dieser, von Fans und Kritik gefeierten, Episode nun schmieden Sisko und Garak einen Plan, wie sie die Romulaner, welche bisher einen Nichtangriffspakt mit dem Dominion unterhalten, dazu bringen auf Seiten der Föderation in den Krieg einzusteigen – mit weitreichenden Konsequenzen für den weiteren Handlungsverlauf. So bin ich glücklich und verwirrt zugleich, wenn Sisko gegen Ende verkündet:

„At 0800 hours, station time, the romulan empire formaly declared war against the dominion.“

Detroit

Ein Film wie ein Schlag in die Magengrube. Erschreckend, Abstoßend, Traurig. Eine völlig neue Facette amerikanischer Neuzeitgeschichte.

Detroit ist ein historisches Drama von Kathryn Bigelow und handelt von Aufständen der schwarzen Bevölkerung in der gleichnamigen amerikanischen Großstadt im Jahr 1967. In Folge von Angriffen auf die Lokalpolizei und Überfällen auf Geschäfte rückten im July dieses Jahres Nationalgarde und Fallschirmjäger der US-Armee in die Stadt ein um die Einwohner zu befrieden. Der Film beleuchtet die Ereignisse dieser Tage anhand verschiedener Einzelschicksale, welche sich im Laufe einer Nacht verweben.

Der Zuschauer lernt Melvin Dismukes kennen, einen afroamerikanischen Sicherheitsmann mit dem Auftrag ein kleines Lebensmittelgeschäft zu bewachen; Larry Reed, den Sänger der afroamerikanischen R&B Gruppe „The Dramatics“, welcher die Nacht nach einem abgesagten Konzert in einem lokalen Motel verbringt und schließlich den weißen Polizisten Philip Krauss, der auf Streife in den von Chaos gezeichneten Bezirken Detroits unterwegs ist.

Nach dem Schauen dieses Films habe ich mich gefragt, wieso er trotz guter Kritiken in der Award-Season völlig untergegangen ist. Gerade in der #oscarsowhite Zeit hätte ein solcher Film über strukturelle Benachteiligung und Rassismus doch bei den Academy Awards vertreten sein müssen. Mit „The Hurt Locker“ hat die Regisseurin sogar bereits einen Oscar für den besten Film erhalten. Zwei Erklärungen sind für mich möglich.

Die Inszenierung im Mittelteil ist für den Zuschauer sehr schwer zu ertragen. Wir werden Zeuge von Folter, Verachtung und Mord gegenüber den Bewohnern eines von Polizei und Armee angegriffenen Motels. Viel schlimmer ist jedoch die Gleichgültigkeit mit der manche der Polizeikräfte ihr perverses Spiel treiben als auch die Angst derer, die das Unrecht sehen und doch zu schwach sind, dagegen vorzugehen. Wir sehen einen Hauptmann der Nationalgarde, der sich wegdreht und seinen Männern anordnet, den Fall der Lokalpolizei zu überlassen. In der Behandlung der Opfer kamen mir durchaus Parallelen zum Handeln von Sicherheitskräften während der Deportation der Juden in Nazideutschland in den Sinn.

Desweiteren bietet der Film im dritten Teil wenig Möglichkeit zur Heldenidentifikation und bleibt somit im Finale doch recht blass. Dies ist einerseits der historischen Akkuratesse geschuldet als auch der Tatsache, dass der Film ein klar negatives Ende zeichnet – auch mit Blick auf aktuelle Beispiele zu Polizeigewalt oder Rassenkonflikten in den USA. Die Polizei sieht arme Bevölkerungsschichten und Bezirke mit viel Kriminalität insgesamt als Feind und nicht als jene, die sie eigentlich beschützen sollte. Eine Betrachtung, welche perfekt in fünf Staffeln „The Wire“ für Baltimore im Fernsehen zu sehen war. Auch für Detroit gilt dies, wenn Krauss resümiert:

„It’s a war zone out there. They’re destroying the city.“